Der Mensch lebt nicht vom Brot allein by Anni Bürkl

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein by Anni Bürkl

Autor:Anni Bürkl [Bürkl, Anni]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: KSB-Media GmbH
veröffentlicht: 2014-10-14T16:00:00+00:00


13

»So, diese Sache ist zumindest für den Moment erledigt, Leon.« Ungar kam alleine aus dem Haus der Lechners zurück. »Haben Sie die Dame noch erreicht, der Sie nachgelaufen sind?«

Pölzl nickte. »Ist fürs Erste ebenfalls erledigt.«

»Dann kommen Sie, Pölzl, wir machen Schluss hier. Wird auch Zeit. Vietz soll die Leiche endlich mitnehmen und dann …«

»Sehr wohl.«

» … dann werden wir die weiteren Arbeiten aufteilen und Zeugen befragen.«

Pölzl warf einen letzten Blick auf den Ermordeten, wie er so dalag, ehe Vietz ihn auf seinen Wagen lud und davon fuhr. Jemand hatte zum Glück die Umrisse mit Kreide auf den Boden gemalt. Wieder vermisste Pölzl die geniale Zeichnung, die er bei der jungen Frau gesehen hatte.

»Was war mit der Witwe?«, fragte Pölzl. »Wie geht es ihr?«

»Ich habe sie zurück in ihre Wohnung gebracht und sie überredet, sich ein wenig hinzulegen. Doktor Vietz hat ihr ein Beruhigungsmittel gebracht. Sie können Frau Lechner später befragen.« Ungar lächelte väterlich.

»Gut, danke.« Pölzl seufzte erleichtert auf. Ungar war unverheiratet geblieben und nie Vater geworden. Dafür hat er sich um mich gekümmert, dachte Pölzl, hat mich unterstützt, wie ich es vom eigenen Vater erwartet hätte. Mitunter fühlte er sich Ungar vertrauter als seinen eigenen Eltern, was auch an ihrem gemeinsamen Beruf lag, der für Pölzl geradezu Berufung war. Sein eigener Vater hingegen schätzte sein Handwerk, das in seinen Augen goldenen Boden hatte – wahrscheinlich empfand der Vater wiederum das Tischlersein als Berufung. Aber Leon Pölzl hatte dafür nun mal keine Begabung und noch weniger Lust, an Holz herumzufummeln. Sie waren so unterschiedlich, der Vater und er … Mit den Jahren hatten sie sich daran gewöhnt, aber leicht war es nie, Diskussionen gab es immer wieder. Da war das bei seiner Schwester anders. Die hatte auch einen Tischler geheiratet und Kinder bekommen, alles der Tradition entsprechend. Kopfschüttelnd verscheuchte Pölzl den Gedanken mitsamt seiner eigenartigen Traurigkeit.

»Ich würde mich gerne noch mal in der Backstube umsehen«, sagte er.

»Dann teile ich für Sie die Kollegen ein«, schlug Ungar vor.

Nochmals bedankte sich Pölzl bei seinem Mentor. Schmitzer warf ihnen einen undeutbaren Blick zu. Während Ungar auf ihn und die Kollegen von der Streife einredete, betrat Pölzl die Bäckerei. Er schloss die Tür hinter sich. Welche Stille! Er ließ die Ruhe einen Moment lang auf sich wirken. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie laut es draußen gewesen war, die Gespräche mit Doktor Vietz und Ungar und den anderen Kollegen, dazu das Geschrei und Gerede der Schaulustigen, die spielenden Kinder.

Pölzl blieb an der Tür stehen. Es war kalt herinnen – und es roch schlecht. Der Mord natürlich, aber da war mehr. Er schnupperte. Angst lag in der Luft, Angst und kalter Schweiß. Angstschweiß. Der Bäcker oder einer seiner Lehrbuben hatte Angst gehabt, und das schon eine Weile länger, nicht erst im Moment des Überfalls. Der Geruch mochte aus den Kleidungsstücken kommen, die herum lagen und hingen. Nach Brot roch es hingegen fast gar nicht, zumindest nicht nach richtigem Roggenbrot, wie Pölzl es sich vorstellte und es sich gerade noch leisten konnte. Wenn seine Mutter nicht für



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